Über die Fredholmschen Gleichungen
über ausgewählte Gegenstände
aus der reinen Mathematik und mathematischen Physik
Leipzig: Teubner, 1910, Kap. 1
Die Integralgleichung
(1) |
wird bekanntlich aufgelöst durch die Integralgleichung derselben Art
(1a) |
wobei
gesetzt ist. und sind, wie aus der Fredholmschen Theorie bekannt ist, zwei ganze transzendente Funktionen in bezug auf . Um ihre Entwicklung explizite hinschreiben zu können, bezeichne man, wie Fredholm, mit diejenige -reihige Determinante, deren allgemeines Element ist. Setzt man dann
so hat man
Diese Gleichung formen wir um, indem wir die durch „Iteration” aus entstehenden Kerne heranziehen. Setzen wir zunächst
so ist klar, daß die Form hat
wie sofort aus der Entwicklung der Determinante hervorgeht. Sei nun
wobei die Anzahl der Integrationsvariabeln bedeutet, so können wir offenbar auch setzen
wenn unter
der “-fach iterierte Kern” verstanden wird.
Wir haben den obigen Relationen zufolge jetzt
Beachten wir nun, daß gewisse unter den in einem Produkt enthaltenen einander gleich werden können, daß ferner gewisse der Produkte selbst einander gleich sein werden, nämlich solche, die durch eine Permutation der auseinander entstehen, so ergibt eine kombinatorische Betrachtung für einen Ausdruck von der Form
und also
d. h.
(2) |
also
(2a) | ||||
(2b) |
Den Zähler der Funktion kann man auf analoge Weise durch die Gleichung
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definieren. Diese Gleichungen, welche sich übrigens schon bei Fredholm finden, sind nützlich als Ausgangspunkt für viele Betrachtungen, wie sich nun an einigen Beispielen zeigen wird.
Die Fredholmsche Methode ist unmittelbar gültig nur für solche Kerne , die endlich bleiben. Wird der Kern an gewissen Stellen unendlich, so kann dennoch der Fall eintreten, daß ein iterierter Kern, etwa , endlich bleibt. Dann läßt sich die Integralgleichung mit dem iterierten Kerne nach Fredholm behandeln, und Fredholm zeigt, daß die ursprüngliche Integralgleichung (1) sich auf diese zurückführen läßt. Die Auflösung wird wieder durch eine Formel der Gestalt (1a) gegeben, nur ist jetzt
zu setzen, wobei
und
ist. Dabei sind und wieder ganze transzendente Funktionen von ; jedoch zeigt es sich, daß sie einen gemeinsamen Teiler besitzen; wir wollen zusehen, wie sich dies aus unseren Formeln (2) bis (3) ergibt und wie wir eine Bruchdarstellung der meromorphen Funktion erhalten, bei der Nenner und Zähler ganze Funktionen ohne gemeinsamen Teiler sind.
Aus unserer Annahme über die iterierten Kerne folgt, daß die Koeffizienten , endlich sind. Bilden wir nun in Anlehnung an Gleichung (2a) die Reihe
so wird dieselbe konvergieren. Jetzt setzen wir
und behaupten, in dieser Formel die gewünschte Darstellung zu haben.
Um dies zu beweisen, haben wir zu zeigen, daß und ganze Funktionen sind.
Zu diesem Zwecke bilden wir . Man berechnet leicht
Hieraus schließt man zunächst, daß eine meromorphe Funktion von ist; denn sie besitzt höchstens Pole in den Nullstellen von , d. h. in den Stellen wo eine -te Einheitswurzel und ein Eigenwert des Kernes ist. Man kann nun zeigen, daß in diesen möglichen Unendlichkeitsstellen das Cauchysche Residuum von gleich 1 oder 0 ist, je nachdem oder genommen wird. Die hierzu gehörige Rechnung wollen wir jetzt nicht durchführen; man benutzt dabei den Umstand, daß das für genommene Residuum von gleich ist, wo , , die zu gehörigen Eigenfunktionen, den Gleichungen
genügen. Hieraus folgt, daß eine ganze transzendente Funktion ist, die nur an den Stellen verschwindet.
Betrachtet man ebenso den Zähler von , so sieht man zunächst, daß er eine meromorphe Funktion von wird, die höchstens an den Stellen unendlich werden kann. Die Betrachtung der Residuen zeigt jedoch, daß dies nicht geschieht, und somit, daß der Zähler ebenfalls eine ganze transzendente Funktion ist. Damit ist die Reduktion des Fredholmschen Bruches geleistet.
Die Reihenentwicklung für Zähler und Nenner des Fredholmschen Bruches in dieser reduzierten Gestalt erhalten wir, indem wir auf die Bildungsweise von zurückgehen; setzen wir den Nenner
so haben wir
wobei zu setzen ist
In analoger Weise wird der Zähler gebildet. Man muß also die Determinanten in der gewöhnlichen Weise entwickeln, aber diejenigen Glieder dieser Entwicklung wegwerfen, welche einen Faktor von der Form mit weniger als Veränderlichen enthalten.
Unsere Formeln (2), (2a), (3) sind auch in dem Falle von Nutzen,
daß außer dem Kern auch alle iterierten Kerne
unendlich werden und die Fredholmsche Methode also nun
sicher versagt.
Seien etwa die Zahlen unendlich, endlich. Man kann
dann jedenfalls die Reihe bilden, fragen, ob sie
konvergiert, und untersuchen, ob wieder eine
ganze Funktion darstellt. Unter der Voraussetzung, daß
ein symmetrischer Kern ist, d. h.
ist mir dieser Nachweis gelungen. Ich benutze dabei die Relationen
die für gelten müssen, da das Geschlecht der Funktion einem Hadamardschen Satze zufolge kleiner als 2 ist.
Den Beweis mitzuteilen fehlt jetzt die Zeit.
Für den Zähler des Fredholmschen Bruches habe ich die Betrachtung nicht durchgeführt.
Noch einige Worte über die Integralgleichung 1. Art! Auf gewisse derartige Integralgleichungen kann man, wenn man sie zuvor auf Integralgleichungen der 2. Art zurückführt, die Fredholmsche Methode direkt anwenden. Es liege z. B. die Gleichung
(1) |
vor, in der die gegebene, aber die gesuchte Funktion ist, während der Bestandteil des Kerns eine gegebene Funktion ist, die gewissen, weiter unten angegebenen beschränkenden Voraussetzungen unterworfen ist. Für die gesuchte Funktion machen wir den Ansatz
aus dem nach dem Fourierschen Integraltheorem, falls die Bedingungen für dessen Gültigkeit erfüllt, umgekehrt
folgt. Danach verwandelt sich (1) in
oder
wenn
(2) |
gesetzt wird, und damit sind wir bereits bei einer Integralgleichung 2. Art angelangt. Der Kern (2) gestattet die Anwendung der Fredholmschen Methode z. B. dann, wenn und gleichmäßig in für gegen konvergieren und die Ungleichung
statthat, in der eine von und unabhängige Konstante bedeutet. Von genügt es etwa, anzunehmen, daß es nur endlichviele Maxima und Minima besitzt und im Intervall absolut integrierbar ist.
Wir können dieselbe Methode auf eine Reihe
anwenden; das Problem ist hier also, wenn und die Funktionen gegeben sind, die Koeffizienten so zu berechnen, daß die hingeschriebene Entwicklung gültig ist. Handelte es sich soeben um eine Erweiterung des Fourierschen Integraltheorems, so haben wir es jetzt mit einer Verallgemeinerung der Fourierschen Reihe zu tun.
Setzen wir in der Form
an, so bekommen wir
Von der Reihe, welche hier als Kern fungiert, müssen wir voraussetzen, daß sie absolut und gleichmäßig konvergiert, d. h. wir müssen annehmen, daß
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gleichmäßig konvergiert.
Setzen wir beispielsweise
so erhalten wir eine Entwicklung der Form
Die Bedingung (3) ist erfüllt, wenn wir die absolute Konvergenz von
voraussetzen.
Endlich betrachten wir noch die Gleichung
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welche sich von (1) dadurch unterscheidet, daß das Integral nicht in unendlichen, sondern in endlichen Grenzen zu nehmen ist. In diesem Fall darf nicht willkürlich gewählt werden: es muß, falls holomorph ist, sicher eine ganze transzendente Funktion sein, wenn die Gleichung (4) eine Auflösung besitzen soll. Dagegen dürfen die Werte dieser Funktion für alle ganzen Zahlen im wesentlichen willkürlich angenommen werden. Setze ich nämlich
so verwandelt sich (4), für genommen, in
Wir gelangen so zu einem System unendlich vieler linearer Gleichungen mit unendlich vielen Unbekannten, wie sie von Hill, H. v. Koch, Hilbert u. a. untersucht worden sind. Die Lösung dieses Systems ist, falls wir für die Reihe
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die Voraussetzung absoluter und gleichmäßiger Konvergenz machen, der Fredholmschen Lösung der Integralgleichungen durchaus analog und stellt sich wie diese als meromorphe Funktion des Parameters dar. Die gleichmäßige und absolute Konvergenz von (5) ist aber, wie sich durch partielle Integration ergibt, sichergestellt, falls die Summe
oder das Integral
absolut und gleichmäßig konvergiert.
Man sieht die Ähnlichkeit und den Unterschied der beiden Fälle (1) und (4) deutlich: je nachdem die Integrationsgrenzen unendlich oder endlich sind — oder auch, je nachdem der Kern in den Integrationsgrenzen keine oder eine genügend hohe Singularität aufweist —, darf man die „gegebene” Funktion im wesentlichen willkürlich wählen oder ihr nur eine zwar unendliche, jedoch diskrete Reihe von Funktionswerten vorschreiben. Es wäre wohl nicht ohne Interesse, den hier zur Geltung kommenden Unterschied mit Hilfe der Iteration der Kerne näher zu betrachten.