4-44-6. David Hilbert to H. Poincaré
Göttingen den 25.2.09
Hochgeehrter Herr Kollege,
Wie ich Ihnen schon mitzuteilen mir erlaubte, beabsichtigen wir zu der Göttinger ‚Poincaré-Woche’ 22–28 April, auch einige Nicht-Göttinger Mathematiker heranzuziehen. Würde es Ihnen vielleicht möglich sein, auch ein Thema aus der mathematischen Physik oder der Astronomie und ein solcher Logisch-philosophischer Färbung zu behandeln? Wir könnten in diesem Falle auch die betreffenden Göttinger Fachkollegen zu Ihren Vorträgen einladen.
Auch beabsichtigen wir an einem oder anderen Abend jener Woche eine Sitzung der hierigen mathematischen Gesellschaft abzuhalten, wo wir dann unsererseits nach unseren Kräften etwas zum Besten geben könnten.
Endlich ist für den 30sten April, dem Geburtstage von Gauss, in dem benachbarten Dransfeld auf dem „hohen Hagen” (der einen Ecke des Gaussischen geradlinigen Dreieckes, für welches er die Winkelsumme beobachtet hat) die Einweihung einer Gaussturmes projektiert.11 1 According to a story popular in Göttingen at the time, Carl Friedrich Gauss (1777–1855), director of the Göttingen Observatory, and professor of mathematics at the University of Göttingen, tested the Euclidicity of space in the 1820s, by employing his heliotrope to measure the angle sum of a triangle formed by the mountaintops of Brocken, Inselsberg and Hohenhagen (Scholz 2004). In 1908, Felix Klein solicited donations from astronomical and mathematical societies around the world, in order to build a monument on the Hohenhagen commemorating the work of the eminent Göttingen geometer. The cornerstone for this monument was to be laid on the anniversary of Gauss’s birthday, on 30 April, 1909 (see the notice in the Jahresbericht der deutschen Mathematiker-Vereinigung 17, 1908, 121), which coincided with Poincaré’s lecture series. Poincaré’s presence at the inauguration was particularly poignant, in light of what Eduard Study (1914, 117) later called the polemic between Poincaré and the writings of Gauss, Riemann and Helmholtz. For these authors the geometry of space was in some sense empirically determined, a position contested by Poincaré. Ihre Anwesenheit dabei wäre dringend wünschenswert.
Leider sind wir – ganz besonders aber ich – durch den vor kurzem erfolgten Tod Minkowski’s in tiefe Trauer versetzt. Ich habe an ihm meinen liebsten und treuesten Jugendfreund, der mir tausendmal mehr wie ein Bruder war, ganz plötzlich und jäh verloren (durch Blinddarm-Entzündung). Es war ein Schlag aus dem heitersten Himmel.
Mit den besten Grüssen
Hochachtungsvoll
Hilbert
ALS 3p. Collection particulière, Paris 75017. Publié par Dugac (1986, 210–211).
Time-stamp: "25.05.2016 14:47"
Literatur
- La correspondance d’Henri Poincaré avec des mathématiciens de A à H. Cahiers du séminaire d’histoire des mathématiques 7, pp. 59–219. External Links: Link Cited by: 4-44-6. David Hilbert to H. Poincaré.
- C. F. Gauß’ Präzisionsmessungen terrestrischer Dreiecke und seine Überlegungen zur empirischen Fundierung der Geometrie in den 1820er Jahren. See Form, Zahl, Ordnung: Studien zur Wissenschafts- und Technikgeschichte, Festschrift für Ivo Schneider zum 65. Geburtstag, Seising et al., Boethius, Vol. 48, pp. 355–380. Cited by: footnote 1.
- Form, Zahl, Ordnung: Studien zur Wissenschafts- und Technikgeschichte, Festschrift für Ivo Schneider zum 65. Geburtstag. Franz Steiner Verlag, Wiesbaden. Cited by: E. Scholz (2004).
- Die realistische Weltansicht und die Lehre vom Raume: Geometrie, Anschauung und Erfahrung. Vieweg, Braunschweig. External Links: Link Cited by: footnote 1.